Veranstaltungen:

Logo

Rückblick 2023

8. März:

Historiker Prof. Dr. Wessel: "Lobbericher Laternen gehören zum Weltkulturerbe"

Professor Wessel referierte auf Einladung des Lobberland e.V. im Hotel Stadt Lobberich über die Geschichte und Bedeutung des künstlichen Lichtes.

Wachskerzen, die zu den frühen künstlichn Beleuchtungstechniken gehören, waren den höheren Schichten vorbehalten - der Tag begann und endete "mit den Hühnern". Ging man spät abends von der Wirtschaft nach Hause, benötigte man jemanden, der einem "heim leuchtete" - Schneider saßen auf der Fensterbank, weil dort das beste Licht war.

Heimleuchten


Erste Laternen nutzten Rüböl, das abendlich neu entzündet werden musste. Es folgte Petroleum. Das alles war brandgefährlich: "Einmal im Jahrhundert brannte eine Stadt bis auf die Grundmauern ab", berichtete Wessel. Wer mit einer Petroleumlampe stolperte und hinfiel, stand möglicherweise gleich selbst in Flammen.

Prof Dr. Wessel

Wessel zeichnete in seinem Vortrag die Entwicklung der Lobbericher Textilindustrie nach. Die massive Steigerung der Bevölkerungszahlen im 19. Jh. sei durch Geburtenüberschuss nicht zu erklären. Grund für diesen Zuzug seien die Verdienstmöglichkeiten in der aufstrebenden Industrie gewesen. Dass Maschinen im künstlichen Licht länger betrieben werden konnten, zog Arbeitskräfte für den Schichtbetrieb in großer Zahl von außerhalb an", so Wessel. Möglich gemacht hat dies auch die Möglichkeit, die Fabrikhallen künstlich zu beleuchten.

Die ersten Leuchtgaswerke in Deutschland wurden von englischen Ingenieuren gebaut, die ihre eigenen Maße mitbrachten. So sind noch heute Rohrsysteme mit Zollmaßen üblich.

Wessel verwies darauf dass in Lobberich die größte Samtweberei der Welt gearbeitet hat, die Tausenden Arbeitskräften, vor allem auch Frauen, Beschäftigung und guten Lohn sicherte. Der Lobbericher „Brillant-Samt“ war absolute Spitzenqualität und hatte keine Konkurrenz zu fürchten.

Niedieck baute die Produktion nach der Serienreife des mechanischen Doppelsamt-Webstuhles i.J. 1876 stark aus, die Firma bot dann der Gemeinde an, mit dem im eigenen Gaswerk erzeugten Gas auch die Wohnungen und den Ort zu versorgen; schon wenige Jahre später erstrahlten die ersten 70 Laternen in Lobberich und kündeten von dessen Wohlhabenheit.

Die Versorgung der Gemeinde mit Gas von Niedieck, dauerte bis 1923, als die Gemeinde Lobberich ein eigenes Gaswerk errichtete und damit gute Gewinne erwirtschaftete. Wessel: "Städte mit eigenem Gas konnten ihren Bürgern etwas bieten - Gas war DAS Zeichen für Fortschritt - Menschen, die zu Hause bereits einen Gasanschluss hatten, gingen zum Wasserholen immer noch zur handbetriebenen Pumpe im Hof oder auf der Straße."

Wessel zeigte zeitgenössische Werbungen für Badekessel und Backöfen.

Badekessel

Auch elektrischer Strom wurde schon früh durch Gasturbinen erzeugt, wie Bilder einer mit Gasmotoren betriebenen "Kraft- und Lichtzentrale" belegten.

Das Stadtgas wurde 1963 durch Kokereigas aus dem Ruhrgebiet und schließlich 1967 durch Erdgas aus den Niederlanden abgelöst.

Fazit:

Professor Wessel ließ keinen Zweifel daran, dass die Entwicklung Lobberichs von einer kleinen unbedeutenden ländlichen Gemeinde mit textilem Nebengewerbe dank der Textilindustrie eine Entwicklung genommen hat, die nicht allein die „Textilbarone“ reich, sondern auch die rasch wachsende Einwohnerzahl wohlhabend gemacht hat. Welche Gemeinde dieser Größe konnte sich beispielsweise ein Krankenhaus und eine solch prachtvolle Kirche wie St. Sebastian leisten? Die Verleihung der Stadtrechte im Jahre 1964 war die Bestätigung dafür.

Diese Entwicklung verdankt Lobberich zu einem guten Teil dem Gaslicht.
Deshalb ist es angemessen, daran zu erinnern. Was könnte besser dieser Aufgabe dienen, als eine im warmen Licht brennende Gaslaterne?

Diskussionsrunde

In der anschließenden Runde ging es lebhaft um die Zukunft des Gaslichtes in Lobberich. Vorschlägen, Gaslaternen abzubauen und museal in der Innenstadt oder einem Museum zu zeigen, erteilte der Historiker eine Absage: "Natürlich ist auch ein Textilmuseum ein guter Platz für eine Gaslaterne. Ohne diese wäre der Erfolg der Textilbarone nicht möglich gewesen." Er betonte gleichzeitig: "Jedes Denkmal betreiben Sie am besten dort, wo es bereits steht"

"Das Besondere an Lobberich, sein Alleinstellungsmerkmal sind heute noch vorhandene Straßen, die immer mit Gas beleuchtet wurden. Man habe hier vielleicht nur das Glück, dass die Straße über Jahrzehnte vergessen wurde. Es gebe aber jetzt keine zweite Kleinstadt auf der Welt, die eine solche Straße besitzt.

Wessel nannte Prag, wo neues Gaslicht in der Altstadt installiert werde und Düsseldorf, das 14.000 seiner Laternen unter Denkmalschutz gestellt habe. Hier sei man fest entschlossen, für die Gasinstallation (Netz und Leuchten) den Status des UNESCO Weltkulturerbes zu erreichen.

Vor allem warnte er vor dem Abschalten des Gasbetriebes und der Umrüstung auf elektrisches Licht. "Die Bauart der Gaslaterne ist durchdacht: Masten einer Gaslaterne sind mit Gas gefüllt, das den Sauerstoff verdrängt. So können sie nicht von innen heraus rosten. Feuchtigkeit werde im Betrieb regelmäßig verdampft. Wer den Betrieb aussetzt oder etwas elektrisches dort hinein bastelt, wird schnell festdstellen, dass die Lampe verrottet. Die Lebensdauer einer Gaslaterne sei so deutlich höher als die einer elektrischen Lampe". Er verwies auf Mannesmann-Laternen am Moldauufer in Prag; die das Zeichen des Mannesmannröhren-Werks in Komotau (Chomotov) tragen und 1893 geliefert wurden; also rund 130 Jahren dort stehen.

Das Argument Klimaschutz

Ralf Schmeink ging zwischenzeitlich noch auf Argumente gegen einen öffentlichen Gaslichtbetrieb ein, darunter den Klimaschutz. Dies sei ein Anliegen von solcher Wichtigkeit, dass jede Maßnahme in dieser Richtung schnell alternativlos wirke. Schmeink: "Wenn ich aber bereit bin, einen sechstelligen Eurobetrag an Steuergeldern für den Abriss von bestehenden Laternen und den Aufbau einer neuen elektrischen Infrastruktur auszugeben, muss ich mir sagen lassen, dass ein solcher Betrag - intelligent investiert - den CO2 - Ausstoß sämtlicher Lobbericher Gaslaternen über Jahrhunderte ausgleichen könnte". Etwas wegzuwerfen, das funktioniert und dann für teures Geld 'was schickes Neues kaufen sei das Gegenteil von Nachhaltigkeit.

Die Laternen seien wegen der Maxime "weg vom Gas" womöglich zu einem Symbol geworden, an dem sich öffentlichkeitswirksam "Zeichen setzen" lassen.
Ihr Abriss falle auf, aber nicht ins Gewicht.

Anwohnervotum

Anwesende Anwohner zeigten sich zuversichtlich, Einigkeit für einen Bürgerantrag herstellen zu können um für ihre Straße den Charme behalten zu können: "Wir brauchen weder LED-Lampen noch versiegelte Bürgersteige", so Dagmar Drabben vom Windmühlenweg: "Die Sicherheit unserer Straße leidet an den Rasern, die die Ampeln der Freiheitstraße umfahren, nicht an der Lichtausbeute der historischen Gaslaternen."


Mehr zum Gaslicht in Lobberich: https://lobberi.ch/gaslicht